Die sowjetischen Häftlinge
Sowjetische Gefangene, vor allem Zivilist:innen, waren die größte Häftlingsgruppe im Konzentrationslager Neuengamme. Ab 1941 deportierte die deutsche Wehrmacht Zivilist:innen aus den besetzten gebieten der Sowjetunion nach Deutschland, wo sie unter schlimmsten Bedingungen Zwangsarbeit leisten mussten. Sie wurden noch schlechter versorgt als andere Häftlinge, da sie von den Nationalsozialist:innen als „rassisch minderwertige“ angesehen wurden.

Kurt Heißmeyer führte an einigen sowjetischen Gefangenen medizinische Experimente durch die im KZ Neuengamme inhaftiert waren.
In der Nacht des 20. April 1945 wurden in der Schule am Bullenhuser Damm auch mindestens 24 sowjetische Häftlinge ermordet, die im Außenlager in Hammerbrook inhaftiert waren. Warum die namenlosen 24 Häftlinge ermordet wurden konnte nicht geklärt werden.
Während der Curio-Haus-Prozessen im Jahr 1946 wurden diese Morde zwar durch Max Pauly (Lagerkommandant KZ Neuengamme) erwähnt, nachfolgend aber nicht näher untersucht. Lange Zeit war zudem nicht bekannt, ob noch mehr Häftlinge zum Bullenhuser Damm gebracht wurden und einen Fluchtversuch unternahmen.
In den darauf folgenden Jahrzehnten wurden keine größeren Anstrengungen unternommen, ihre Identitäten und die Auslöser für die Morde zu klären. Der Journalist Günther Schwarberg nahm im Jahr 1979 Kontakt zu einem Kollegen aus der Sowjetunion auf, der zu diesem Zeitpunkt Auslandskorrespondent in Bonn war. Schwarberg war auf der Suche nach Geflüchteten, die der Ermordung entkommen konnten um den Tathergang aufzuzeichnen und die Identitäten der Ermordeten herauszufinden.
Zudem ludt Schwarberg Vertreter der Sowjetunion zu der jährlichen Gedenkfeier am Bullenhuser Damm ein.
Die ermordeten sowjetischen Häftlinge wurden auch im zweiten Ermittlungsverfahren gegen Arnold Strippel Gegenstand der Untersuchung.
1985 wurde ein Denkmal des sowjetischen Bildhauers Anatolij Mossijtschuk im Rosengarten zu ihrem Gedenken eingeweiht.
Der Arzt Kurt Heißmeyer unternahm im Auftrag der SS ab April 1944 grausame Menschenversuche zur Wirkung und Behandlung von Tuberkulose im Konzentrationslager Neuengamme. Mehrere Gruppen wurden zwangsweise zu seinen Versuchspersonen. Während über die jüngsten Opfer, bekannt als Kinder vom Bullenhuser Damm vieles bekannt ist, liegen die Biografien der erwachsenen Häftlinge, die für die Versuche missbraucht wurden, noch weitgehend im Dunkeln.
Dieser Online-Vortrag von Dr. Anna von Villiez stellt vorhandene Quellen zu der wenig bekannten Gruppe aus dem Prozess gegen Kurt Heißmeyer vor und möchte zur weiteren Forschung und Diskussion anregen.